International renommierte Historikerinnen und Geschlechterforscherinnen wie Holly Furneaux (Cardiff), Cynthia Enloe (Worcester, MA), Alison S. Fell (Liverpool), Susan Grayzel (Utah), Christa Hämmerle (Wien), Jessica Meyer (Leeds), Ingrid Sharp (Leeds) und Heidrun Zettelbauer (Graz) sowie Nachwuchswissenschaftlerinnen wie Hilary Buxton (Ohio), Viktoria Wind (Graz) und Chantal Thomsett-Sullivan (Leeds) stellten eine breit gefächerte Expertise bereit und eröffneten anregende Diskussionen zum Themenfeld Krieg & Geschlecht bzw. Krieg, Geschlecht & Care. In eindrucksvollen Beiträgen und fruchtbaren Diskussionen zwischen Vortragenden und Konferenzteilnehmenden entstand ein außerordentlich produktives Setting des intellektuellen und weiterführenden Austauschs.
Zwei Keynote Lectures rahmten die Konferenz, beginnend zunächst am 9. Dezember mit dem Vortrag von Holly Furneaux zu „‘The Brotherhood of Man’? Fraternisation, Gender and Race”. Furneaux zeigte am Beispiel von War Memorials auf, wie Männlichkeiten und Erzählungen von Verbrüderung einerseits im Krieg inszeniert und andererseits nach dem Krieg erinnert werden. Dabei rückte sie auch die Frage ins Zentrum, welche Geschichte(n) sie verkörpern, die rückblickend erzählt werden wollen/können. Als Ausgangspunkt für die Konferenz setzte Furneaux mit ihren Ausführungen einen Kontrapunkt zur herkömmlichen geschlechterblinden Ersten-Weltkriegshistoriographie und legte die Bedeutung von Geschlecht im Kontext der Erinnerungspolitik offen.
Einen zentralen Diskussionspunkt, der sich wie ein „roter Faden“ durch die Konferenz spannte, stellte die Forderung nach einer differenzierten Bewertung der 100-Jahre-Gedenkfeiern 2014/2018 dar bzw. die Frage, ob und inwiefern in diesen neue Forschungszugänge umgesetzt bzw. geschlechterhistorische Befunde integriert wurden. Inwiefern sind in der Forschung nach wie vor traditionelle (auch einseitige und überholte) Narrative zur Kriegsgeschichte präsent? Wie nötig ist es, Geschlechtergeschichte in herkömmliche „Meistererzählungen“ zum Ersten Weltkrieg zu integrieren und wie kann vermieden werden, dass die breite und ausdifferenzierte Geschlechtergeschichte des Ersten Weltkriegs noch immer verkürzt in „Sonderkapiteln über Frauen und Kinder im Krieg“ abgehandelt wird? Diese Fragen wurden u.a. im Round Table unter Mitwirkung von Alison S. Fell, Sue Grayzel, Christa Hämmerle, Jessica Meyer und unter der Diskussionsleitung von Ingrid Sharp diskutiert. Wie hat die Gender-Forschung das Verständnis des Ersten Weltkrieges und seiner Nachwirkungen grundlegend prägen können und auf welche Weise fordern Zugänge einer aktuellen Gender History nach wie vor traditionelle Annäherungen an den Krieg heraus? Welche neuen Themenfelder entstehen aus einer konsequenten geschlechtergeschichtlichen Perspektivierung des Krieges?
In einer weiteren Sektion der Tagung zu intersektionalen Perspektiven auf das Thema erörterten die Vortragenden Heidrun Zettelbauer, Viktoria Wind und Hilary Buxton Verstrickungen von Gender, Nationalismus und Kolonialismus mit Weiblichkeits- bzw. Männlichkeitskonstruktionen im Kontext der Kriegsfürsorge. Ein wichtiges Fazit der Vortragenden war dabei, dass Kriegsfürsorge und humanitäre Hilfe nicht per se Friedensarbeit bedeutete, sondern in hohem Maß mit je spezifischen (auch ausgrenzenden) politischen Funktionalisierungen verknüpft wurde. In der daran anschließenden Sektion zur feministischen Betrachtung humanitärer Hilfe nach Ende des Weltkrieges warfen Chantal Sullivan-Thomsett und Ingrid Sharp die Frage nach der Weiterentwicklung feministischer Kriegskritik und der Frauenfriedensbewegungen im Rahmen historischer und aktuellen internationaler Beziehungen auf, konkret in Hinblick auf die Entwicklung feministischer Konzepte von Außenpolitik. Historische Befunde wurde auf diese Weise konstruktiv mit gegenwärtigen feministischen Politikkonzepten verflochten.
In ihrer die Konferenz abschließenden Keynote Lecture warf Cynthia Enloe schließlich die Frage auf „War Wounded: Where are the Women?“ Dabei standen besonders die Nachwirkungen und Interpretationen von Kriegen im Zentrum. Enloe widmete sich somit ganz grundlegenden Fragen, die aus einer geschlechterhistorischen Perspektive alles andere als selbstverständlich erscheinen – etwa die Frage „When, do you think, WWI ended?“ – um anschließend präzise herauszuarbeiten, dass Kriege nie einfach mit dem Tag etwaiger Friedensschlüsse aufhören, sondern aus einer geschlechterhistorischen Perspektive in hohem Maß Wirksamkeit bis weit in Nachkriegszeiten hinein entfalten und – wie im Fall des Ersten Weltkriegs – Nachwirkungen sogar bis in die Gegenwart zeitigen.
Die konstruktiven Debatten der beteiligten Geschlechterforscher*innen während der Online-Konferenz werden im Frühsommer 2022 im Rahmen eines Follow-Up-Workshops fortgesetzt.
https://geschichte.uni-graz.at/de/kultur-und-geschlechtergeschichte/