Forschung und Schwerpunkte
Forschungsprofil des Arbeitsbereich Zeitgeschichte

Der Arbeitsbereich Zeitgeschichte erforscht globale, regionale und lokale Veränderungsprozesse in Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Wir beschäftigen uns mit der Zeit vom späten 19. Jahrhundert bis ins frühe 21. Jahrhundert - unsere breit gespannten Forschungsnetze reichen dabei von Graz nach Kanada, Russland, Westafrika, China, Japan und Lateinamerika.
Für unsere Forschung nutzen wir Methoden der Kultur-, Sozial- und Technikgeschichte, lassen uns aber auch interdisziplinär inspirieren. Dies hilft uns, die vielfältigen Quellen der Zeitgeschichte wie digitale Bilder, Filme, Radiosendungen oder Interviews mit Zeitzeug*innen angemessen auszuwerten.
Die Forschungsschwerpunkte des Arbeitsbereichs Zeitgeschichte sind:
- Globale Zeitgeschichte
- Europäische Zeitgeschichte: Konflikt- und Migrationsforschung
- Gedächtnispolitik und Erinnerungskulturen
Informationen zu unseren aktuellen Forschungsprojekten und Publikationen finden Sie auf der linken Seite.
Globale Zeitgeschichte
Die Welt des frühen 21. Jahrhunderts ist global vernetzt: Waren, Konsumgewohnheiten und Menschen zirkulieren über Flughäfen, Meere und Grenzen; Nachrichten und Informationen verbreiten sich neben den etablierten Medien über soziale Netzwerke und überqueren in Bruchteilen von Sekunden den ganzen Planeten. Ermöglicht wird dies durch moderne Technik: Kabel durchqueren ganze Ozeane, Satelliten umkreisen die Umlaufbahn der Erde.
In einer derart vernetzten Welt wächst die Notwendigkeit historische Phänomene in ihren globalen Dimensionen zu erfassen. Im Forschungsschwerpunkt Globale Zeitgeschichte erforschen wir die Entwicklung dieser globalen Verflechtungsprozesse in Technik, Wirtschaft, Konsum, Wissenschaft und Kommunikation. Wir analysieren, wie sich Akteur*innen in verschiedensten Weltregionen globalen Herausforderungen stellten, sei es bei der Bekämpfung von Ungleichheit und Hunger oder dem Aufbau sozialer und materieller Infrastrukturen. Dabei interessieren wir uns nicht nur für die zu Grunde liegenden gesellschaftliche Strukturen, sondern auch für die Biografien, Mobilitäten, Wissensbestände und Alltagserfahrungen der betroffenen Menschen.
Methodisch basieren unsere Forschungen auf aktuellen Konzepten aus Global-, Kultur- und Sozialgeschichte sowie den Medienwissenschaften, der kulturwissenschaftlichen Raumforschung und den Science and Technology Studies
Europäische Zeitgeschichte: Konflikt- und Migrationsforschung
Kriege und Konflikte hören nicht auf, wenn die Waffen schweigen. Sie haben Vorgeschichten und sie haben Folgen. Inwiefern diese Folgen noch Jahrzehnte später spürbar sind, ist Gegenstand zeithistorischer Forschung und Lehre in diesem Bereich. Dazu gehören staatliche, gesellschaftliche, ökonomische sowie soziale, humanitäre und kulturelle Folgen der beiden Weltkriege und des Kalten Krieges. Besondere Schwerpunkte liegen zudem auf den Themen Migration im 20. Jahrhundert und Kindern des Krieges in Zentral- und Osteuropa sowie in der Sowjetunion.
Zur europäischen Zeitgeschichte mit dem Schwerpunkt Konflikt- und Migrationsforschungen führen wir Lehr- und Forschungsprojekte durch, die durch innovative Fragen den Erkenntnisfortschritt in diesem Zusammenhang vorantreiben. Der Arbeitsbereich zeichnet sich u. a. durch internationale und interdisziplinäre Vernetzung sowie durch gesellschaftspolitisch relevante Fragenstellungen aus. Durch den im August 2018 abgeschlossenen Partnervertrag zwischen der Universität Graz und dem Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung (BIK) besteht ein enger Austausch zwischen Forschung, Lehre und Vermittlung. So können Studierende Praktika absolvieren oder auch erste Erfahrungen im Wissenschaftsbereich sammeln.
Gedächtnispolitik und Erinnerungskulturen
„Gedächtnis“ spielt eine zentrale Rolle in den gesellschaftlichen Ausverhandlungen von Identität und Zugehörigkeit und in den Konflikten um politische Macht und kulturelle Hegemonie. Insbesondere seit den 1980er Jahren und der Rezeption des mehrbändigen, von Pierre Nora herausgegeben Werkes „Les lieux de mémoire“ setzt sich die Geschichtswissenschaft mit Diskursen und Ausdrucksformen des kollektiven Gedächtnisses theoretisch wie empirisch auseinander und reflektiert ihre eigene Rolle als Teil gesellschaftlicher Erinnerungskämpfe. Gedächtnisgeschichte als thematischer Fokus nahm im Arbeitsbereich Zeitgeschichte in den später 1980er Jahren ihren Anfang mit der Erforschung der Waldheim-Affäre und den erinnerungskulturellen Debatten zum NS-Regime und dem Zweiten Weltkrieg. Daraus entstand eine Kontinuität der Arbeit in Forschung und Lehre zu diesem Schwerpunkt mit einer großen Bandbreite an Fragestellungen.
Sie basiert auf den kulturwissenschaftlich ausgerichteten gedächtnistheoretischen Ansätzen z.B. von Aleida und Jan Assmann, Astrid Erll oder Pierre Nora. Die Forschungen befassen sich mit der Rolle von Gedächtnisdiskursen in politischen und gesellschaftlichen Konflikten. Dabei gilt das Interesse der Vielstimmigkeit der Erinnerungserzählungen, die damit der Vorstellung von homogenen (v.a. nationalen) Gedächtnissen widerspricht. Untersucht werden dabei unterschiedliche Repräsentationen des Gedächtnisses – politische Texte ebenso wie Zeichensetzungen im öffentlichen Raum (Denkmäler, Straßennamen etc.) und performative Akte (Feiertage/Feste, Einweihungen etc.), „hochkulturelle“ wie populärkulturelle Medien. Inhaltliche Schwerpunkte der letzten Jahre sind die Repräsentation von Kriegen und Gewalt im kulturellen Gedächtnis (Stichworte Kriegsdenkmal und Revolutionsdenkmal) sowie von politischen Regimen. Diskursanalytische, bild- und medienwissenschaftliche Ansätze machen dabei den interdisziplinären Zugang zu diesem Forschungsbereich deutlich.
Leiterinnen
Christiane Berth
Institut für GeschichteArbeitsbereich Zeitgeschichte, Attemsgasse 8/II
Barbara Stelzl-Marx
Institut für GeschichteLiebiggasse 9/I (L. B. Institut für Kriegsfolgenforschung)
Sekretariat
Brigitte Knaus
Attemsgasse 8/II
8010 Graz
DI 09:00 bis 12:00 Uhr
FR 09:00 bis 12:00 Uhr