Kulturpolitik im Kalten Krieg: Österreichische Akteure sowjetischer Musikdiplomatie während der Besatzungszeit
Zeit: Montag, 23. März 2020, 13:30 – 15:00 Uhr
Ort: Universität Graz, Institut für Geschichte, Heinrichstraße 26, 8010 Graz, 2. Stock, UR 09.23
Zum Thema
Nach dem kommunikativen und soziologischen Turn der historischen bzw. Musikwissenschaft treten Pr otagonisten, Inter lokutoren und Partner der kulturkommunikativen und Trans fer prozesse in den Vor de rgrund. Die Mehr schich tigkeit und eine differenzierte Gewichtung der Machtpotenziale – vor allem hinsichtlich der Diskursbildung und Rezeption – bilden ein theoretisch sowie empirisch relevantes Wesensmerkmal der Musikdiplomatie. Für die sowjetischen Kulturpropagandisten in der Nachkriegszeit waren österreichische, oft nichtkommunistische, Partner unentbehrlich. Wenn gleich die zunehmend KPÖ affine Österreichisch- Sowjetische Gesellschaft die Drehscheibe aller Kulturkontakte zwischen Österreich und der Sowjetunion bilden sollte, avancierte gerade ihre anscheinend weniger politische Musiksektion zum Kernstück der Gesellschaft. Ihre Ansprechpartner gehörten unterschiedlichen politischen Lagern an bzw. waren überwiegend kulturkonservativ eingestellt und an russischer Hoc hkultur interessiert. Zudem waren Kulturkritiker wesentliche Akteure des Kulturtransfers und der Diskursbildung. Gerade bei ihnen konnte das sowjetische Musikangebot, im krassen Gegensatz zu politischer Propaganda, punkten: Ein – anderes – Russlandbild im wieder auferstehenden Musikland Österreich wurde musikalisch vorgeführt. Das Interesse am „Russischen“ wird sowohl durch wohlwollende kritische Kolumnen als auch ein „russisches“ Repertoire, etwa „russische Konzerte“, verdeutlicht: Die sowjetische Musikdiplomatie war als Kulturtransfer durchaus erfolgreich, als offizielle Propaganda jedoch ein Fiasko.
Zur Person
Dr. Alexander Golovlev, geboren 1991 in Moskau, ist bis Mai 2020 JESH Fellow der Österreichischen Akademie der Wissenschaften am Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung und am International Centre for the History and Sociology of World War II and Its Consequences, National Research University Higher School of Economics. Er promovierte 2017 mit einer Dissertation zur sowjetischen und französischen Musikdiplomatie am European University Institute in Florenz.
Begrüßung und Einleitung
Univ.-Prof. Dr. Barbara Stelzl-Marx, Institut für Geschichte der Karl-Franzens-Universität Graz, LBI für Kriegsfolgenforschung
Dekan Univ.-Prof. Dr. Michael Walter, Karl-Franzens-Universität Graz