Zur Geschichte des Instituts
Die Anfänge des Instituts für Geschichte
An der 1585 gegründeten und von den Jesuiten getragenen Universität Graz bestand das Curriculum zunächst aus einem humanistischen Grundstudium sowie den weiterführenden Studien der Philosophie und Theologie. Bis ins 18. Jahrhundert wehrte man sich gegen eine inhaltliche Erweiterung. Man blieb auch standhaft, als eine von der Landesverwaltung 1716 eingesetzte Kommission die Einrichtung von Professuren für Jurisprudenz, Medizin und Geschichte zur Steigerung der Attraktivität der Grazer Universität vorschlug. Mit einiger zeitlicher Verzögerung entschied sich der Rektor Pater Andreas Horvath 1720 für die Einrichtung einer Lehrkanzel für Geschichte, die dann mit erneuter Verzögerung 1729 mit Karl von Andrian besetzt wurde. In den folgenden Jahren bemühte man sich um eine gesamthafte Darstellung der Weltgeschichte aus heilsgeschichtlicher Perspektive.
1756 fand auf Anordnung der staatlichen Unterrichtsbehörde schließlich erstmals auch eine weltlich orientierte Geschichte Eingang in den Lehrplan. Besonders diese erst kürzlich erfolgte Ausrichtung der Geschichte geriet jedoch mit der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 und der Degradierung der Universität zum Lyzeum 1782 unter Druck. Während das Fach als Kirchen- und Rechtsgeschichte in anderen Gebieten fortgeführt wurde, richtete man erst 1805 eine Professur für Weltgeschichte und Österreichische Staatsgeschichte ein und besetzte sie 1806 mit Julius Franz Borgias Schneller. Die finanziellen Mittel waren so knapp, dass zunächst keine Arbeitsräume zur Verfügung standen und auch die Berufung von Professoren sich an Kostenargumenten orientierte. Nach dem Revolutionsjahr 1848 und in Folge der Thun-Hohenstein’schen Universitätsreform wurde die Lehrkanzel erstmal explizit mit einem Forschungsauftrag verbunden.
Die Ausdifferenzierung des Faches
Nach der Universitätsreform von 1848, die praktisch mit dem Tod des vorigen Lehrstuhlinhabers, Leopold Hassler, zusammenfiel, wurde der Lehrstuhl für Allgemeine Geschichte 1852 mit Johann Baptist Weiß besetzt. Weiß lehrte bis zu seinem Tod 1890 in Graz. Während seiner Amtszeit kam es zur Ausdifferenzierung des Faches: Zuerst trennte man 1865 eine neue Österreichische Geschichte von der bestehenden Allgemeinen Geschichte, was wohl auch vor dem Hintergrund der volkspädagogischen Absicht im Sinne einer österreichischen Nationalerziehung zu sehen ist. Als neuer Professor für Österreichische Geschichte wurde Franz Krones berufen.
1867 folgte die Entstehung der Neueren Geschichte mit der Berufung von Adam Wolf. 1884 wurde mit Adolf Bauer erstmals ein (außerordentlicher) Professor für Alte Geschichte bestellt. Der damit verbleibende „Rumpf“ der Allgemeinen Geschichte wurde 1891 mit dem Mediävisten Arnold Busson besetzt. Seit der Berufung Johann Loserths 1893 und mit kurzer Unterbrechung in den Jahren 1940-1945 verbanden sich mit dieser Professur auch die Historischen Hilfswissenschaften. Entsprechend heißt dieser Arbeitsbereich heute „Allgemeine Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften“.
Ständestaat und NS-Zeit
Die politischen Verhältnisse der 1930er Jahre wirkten sich auch auf das Grazer Institut aus. So wurde etwa 1935 vom Ministerium der Benediktinerpater Hugo Hantsch zum Extraordinarius für Österreichische Geschichte ernannt, da die von der Philosophischen Fakultät vorgeschlagenen Kandidaten für die zu besetzende ordentliche Professur dem Lager Kurt Schuschniggs im „Ständestaat“ nicht nahe genug standen. Bereits kurz nach dem „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland wurde Hantsch als Gegner des Nationalsozialismus aber beurlaubt, inhaftiert und später im KZ Buchenwald interniert. Der deutschnationale Hans Pirchegger supplierte zunächst für ihn und folgte ihm 1939 – nachdem er Mitglied der NSDAP geworden war – als außerordentlicher Professor für „Landesgeschichte“ nach, wie der Fachbereich während der NS-Zeit hieß.
Nach Kriegsende kam es zu großen personellen Umbrüchen. Hugo Hantsch etwa meldete sich auf seine Stelle zurück, um aber kurz darauf im Jahr 1946 den Ruf an die Universität Wien anzunehmen. Professoren wie Ferdinand Bilger (Neuere Geschichte), Walter Kienast (Mittelalterliche Geschichte), Fritz Schachermeyer (Alte Geschichte) oder Burkhard Seuffert (Historische Hilfswissenschaften), die sich konform zur NS-Ideologie verhalten hatten und deren Berufung zum Teil auch erst in diesen Jahren erfolgte, wurden nach 1945 in vielen Fällen entlassen, was aber anschließend häufig in eine Pensionierung umgewandelt wurde.
Einen interessanten Fall stellt die Mediävistin Mathilde Uhlirz dar. Ihre Habilitierung scheiterte in den 1920er und 1930er Jahren zunächst mehrere Male an einer geschlechterspezifischen Diskriminierung: Weibliche Kandidatinnen mussten gemäß eines Beschlusses der Fakultätsvertretung zur Habilitierung an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät bessere wissenschaftliche Leistungen nachweisen können als männliche. 1945 wurde ihr ein Berufsverbot erteilt, nachdem ihre Einsetzung als außerplanmäßige Professorin 1939 wahrscheinlich zumindest teilweise auf ihre Parteimitgliedschaft bei der NSDAP zurückzuführen war. Nichtsdestoweniger wurde auch sie wie die vorgenannten Professoren nach Kriegsende weiter unterstützt. Während Kienast und Schachermeyer später an anderen Universitäten Professuren aufnahmen und zahlreiche Ehrungen erhielten, setzten sich im Fall Uhlirz‘ noch in den frühen 1950er Jahren alle damaligen Lehrstuhlinhaber des Instituts (wenn auch erfolglos) für ihre Wiedereinsetzung als Dozentin ein.
Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde das Institut erneut erweitert. Entsprechend der allmählich auch in der deutschsprachigen Wissenschaft wahrgenommenen Neuausrichtung der Geschichtswissenschaft, die von den französischen „Annales“ Anfang des Jahrhunderts ihren Ausgangspunkt genommen hatte, wurde 1969 ein Lehrstuhl für Allgemeine Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit geschaffen und mit Othmar Pickl besetzt. Im selben Jahr berief die Karl-Franzens-Universität Ferdinand Hauptmann als ersten Professor für Südosteuropäische Geschichte. 1984 folgte schließlich die Einrichtung einer Professur für Allgemeine Zeitgeschichte mit besonderer Berücksichtigung außereuropäischer Länder und Kulturen, die mit Helmut Konrad besetzt wurde. Ein rezenter Zugang in dieser Verbreiterung des Fachspektrums stellt die Professur für Fachdidaktik der Geschichte dar, die 2017 mit Alois Ecker besetzt wurde.
Die Binnengliederung am Institut für Geschichte setzt sich im Moment (Stand Jänner 2024) aus folgende Arbeitsbereiche zusammen: Geschichte des Mittelalters (Tanja Skambraks), Geschichte der Frühen Neuzeit (Gabriele Haug-Moritz), Wirtschafts- und Sozialgeschichte (Walter Iber), Südosteuropäische Geschichte und Anthropologie (Heike Karge), Geschichtsdidaktik (Christian Heuer), Globale Zeitgeschichte (Christiane Berth), Europäische Zeitgeschichte (N.N.), Kultur- und Geschlechtergeschichte (Heidrun Zettelbauer) und Geschichte Österreichischs und Zentraleuropas im 19. Jahrhundert (Professuren derzeit nicht besetzt).
Nicht zum Institut gehört die Alte Geschichte, die – wie in Österreich üblich – als ein eigenes Institut konstituiert wurde. Die Professur ist mit Wolfgang Spickermann besetzt (zur Homepage des Instituts für Antike). Eine enge Zusammenarbeit der beiden historischen Institute verknüpft diese beiden Bereiche und stellt zudem eine interdisziplinäre Ausbildung sicher, die auch benachbarte Felder wie die Archäologie und Kunstgeschichte berücksichtigt.
Bibliografie
Höflechner, Walter: Das Fach Geschichte an der Universität Graz: 1729-1848 (= Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz 3), Graz 1975.
Höflechner, Walter: Geschichte der Karl-Franzens-Universität Graz. Von den Anfängen bis in das Jahr 2005 (= Grazer Universitätsverlag. Allgemeine Wissenschaftliche Reihe 1), Graz 2006.
Höflechner, Walter: Das Fach „Geschichte“ an der Philosophischen resp. Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz. Vertretung und Institution. Von den Anfängen bis zur Gegenwart (= Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz 44/1), Graz 2015.
Holeschofsky, Johannes: Karl (1854-1914) und Mathilde Uhlirz (1881-1966). Neue Gesichtspunkte zur Biografie zweier Grazer Historiker, in: ZHVSt 104 (2013), S. 297-310.
Kaspar, Sabine: Braune Flecke – Blinde Flecke? Am Beispiel des Mediävisten Burkhard Seuffert, in: Sabine Kaspar, Evelyn Knappitsch, Bernhard Thonhofer, Florian Ungerböck (Hg.), Die Karl-Franzens-Universität Graz und der lange Schatten des Hakenkreuzes. 15 Beiträge von Studierenden und TutorInnen, Graz 2017, S. 63-82.
Kernbauer, Alois: Hans Pirchegger (1875-1973). „Der“ Landeshistoriker“, in: Karel Hruza (Hg.), Österreichische Historiker 1900-1945. Lebensläufe und Karrieren in Österreich, Deutschland und der Tschechoslowakei in wissenschaftsgeschichtlichen Porträts, Wien-Köln-Weimar 2008, S. 225-246.