Der Arbeitsbereich Südosteuropäische Geschichte und Anthropologie stellt sich vor
Zur Forschung und Tätigkeit des Arbeitsbereichs Südosteuropäische Geschichte und Anthropologie
Die Südosteuropäische Geschichte und Anthropologie an der Universität Graz ist die einzige wissenschaftliche Institution in Österreich, die sich in Forschung und Lehre auf Geschichte und Anthropologie Südosteuropas konzentriert. Diese Orientierung ist aus zwei Gründen sinnvoll: Erstens hat die Universität in Geschichte und Gegenwart auf Grund ihrer geografischen Lage Bedeutung für das südöstliche Europa. Dies war auch eines der Argumente, das 1970 zur Gründung der Lehrkanzel für Südosteuropäische Geschichte geführt hat - in Ergänzung zum Grazer Institut für Slawistik, das starke balkanologische Traditionen aufweist. Zweitens bringt es der Universitätsschwerpunkt „Südöstliches Europa“ mit sich, dass wir auch Aufgaben zu erfüllen haben, die über den unmittelbar wissenschaftlichen Bereich hinausführen: Kontakte aufbauen, Netzwerke knüpfen, Stipendien für Studierende aus dem südöstlichen Europa organisieren sowie Forschungsprojekte konzipieren und unterstützen.
Unsere Forschung
Unterschiedliche Forschungszugänge und Problemstellungen prägen den Forschungsbetrieb des Fachbereichs. Einer der praktizierten Forschungszugänge ist die „Historische Anthropologie des Balkans“. Historische Anthropologie als Erweiterung sozialgeschichtlicher Zugänge verstanden, die sich u. a. mit den elementaren Erfahrungen und deren Interpretationen durch Menschen in der Geschichte auseinandersetzt, steht heute nicht mehr am Rande, sondern rückt in das Zentrum der Geschichtswissenschaften vor.
Die Grazer historisch-anthropologische Balkanforschung hat sich vorläufig auf Problemstellungen der historischen Familienforschung konzentriert. Von hier aus ergibt sich eine Reihe zusätzlicher inhaltlicher und thematischer Möglichkeiten der Weiterentwicklung: So ist eine der bevorzugten historisch-anthropologischen Methoden der interkulturelle Vergleich bzw. die Transfergeschichte.
Als primäre Bezugskulturen müssen wir die Mittelmeerwelt, den Nahen Osten, den Kaukasus sowie Zentral- und Osteuropa verstehen. Eine zweite, speziell in Graz praktizierte Dimension Historischer Anthropologie, ist die Verknüpfung historischer und kulturanthropologischer Methoden und Fragestellungen, wobei sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in erster Linie an der US-amerikanischen Kulturanthropologie orientieren. Von der historischen Familienforschung ausgehend, werden aber auch patriarchale Sozialstrukturen und Gender-Fragen untersucht.
Dies schließt sowohl Fragestellungen nach dem Verhältnis von Tradition und Moderne wie auch nach dem sozialen Stellenwert von Machtbeziehungen ein. Im engen Zusammenhang damit stehen auch Forschungen über Nationsbildungsprozesse, soziale Sicherheit, Migration und Erklärungsansätze für den Ausbruch der Ethno-Nationalismen im ehemaligen Jugoslawien.
Unsere Forschungsschwerpunkte
Erinnerungskulturen - Geschichtsbilder - Historiografie
Die historische Erinnerung in der öffentlichen Sphäre und der damit verbundene Umgang mit der Vergangenheit bilden wichtige Forschungsschwerpunkte, die sich über eine Vielfalt an Themenbereichen erstrecken. Der öffentliche Gebrauch von Geschichte manifestiert sich in unterschiedlichen Bereichen. Die Analyse der Geschichtsbilder in Schulbüchern gehört genauso dazu wie die Betrachtungen zur shared history, die einer Trennung in „eigene Geschichtsbilder“ versus „Geschichtsbilder der Anderen“ entgegenzuwirken versucht. Ein zentraler Bereich ist die Historiographie des südöstlichen Europas und deren Wirkmächtigkeit in Sinnstiftung und Systemlegitimierung. Nicht zuletzt sind auch die Geschichtsnarrative in touristischen Kontexten Forschungsgegenstand, denn die Rahmung von Destinationen und Attraktionen durch textuelle und visuelle Geschichtsdarstellungen haben sich als wesentlicher Bestandteil national oder regional ausgerichteter Identitätspolitik im südöstlichen Europa erwiesen.
Familie und Geschlecht
Der Forschungsschwerpunkt Historische Familien- und Geschlechterbeziehungen ist seit drei Jahrzehnten fest verankert und findet seine Begründung in der deutlich hervortretenden Familienzentriertheit in den Balkanländern. Die inneren Beziehungen der „Balkanfamilie“, wie sie vor allem im Westen der Balkanhalbinsel in Erscheinung traten, waren in der Vormoderne patriarchal, patrilinear und patrilokal strukturiert. Bedingt durch die Neuorientierungen in der postsozialistischen Periode, die jugoslawischen Kriege sowie das Wiedererstarken traditioneller Werte aus vorsozialistischer Zeit sind sowohl Re-Patriarchalisierungs- als auch scheinbare Verwestlichungstendenzen in den Familien- und Geschlechterbeziehungen festzustellen. Feministische Bewegungen haben es daher schwer, Fuß zu fassen. Die Forschungen zu den Familien- und Geschlechterbeziehungen sind interdisziplinär angelegt: Sie beziehen neben historischen auch soziologische, demografische und anthropologische Fragestellungen und Methoden ein.
Gesundheit und Medizin
Vor gerade einmal hundert Jahren wurde das Osmanische Reich als „kranker Mann am Bosporus“ bezeichnet. Die Konstruktion und Verwendung stereotyper Zuschreibungen sind Teil des Komplexes Orientalismus-Balkanismus und bilden ein wesentliches Element eines Forschungszuganges, der Bilder von Gesundheit und Krankheit in den Mittelpunkt stellt. Über symbolische Bedeutungen hinausweisend bildet die Sozialgeschichte der Medizin einen weiteren Schwerpunkt: Dieser behandelt das historische Auftreten von Epidemien, die gesellschaftliche Rolle von Ärzten und Ärztinnen sowie die Disziplinierung, Einteilung und Selektion der Bevölkerung durch Quarantäne, Desinfektion, Impfungen und weitere Hygienemaßnahmen sowie auch durch eugenische und rassenanthropologische Diskurse. Für die Bevölkerung der überwiegend agrarisch strukturierten Gesellschaften des Balkans stellen u.a. diese Maßnahmen eine frühe Berührungsfläche mit der Moderne dar.
Migration und "Transnationalismus"
Geschichte und Gegenwart des südöstlichen Europa sind ganz entscheidend von Migration geprägt. Aktuell gibt es kaum einen Bereich des gesellschaftlichen und politischen Lebens, der nicht unmittelbar von den Effekten der Migration betroffen ist. Diese Effekte sind vielschichtig und reichen weit über die Region hinaus. Die Erfahrung der Migration stellt häufig einen Bruch mit der eigenen Geschichte dar, sie erfordert eine Neuorientierung im Räumlichen und im Zeitlichen, und sie geht zumeist mit einem verstärkten Bedürfnis nach Verankerung und Sicherheit einher. Die Auseinandersetzung mit historischen und aktuellen Migrationsprozessen stellt deshalb sowohl in theoretischer als auch in methodischer Hinsicht eine große Herausforderung dar. Historisch-anthropologische Zugangsweisen, die zur Anwendung kommen, erweisen sich als besonders geeignet, den vielschichtigen Migrationsphänomenen auf die Spur zu kommen.
Muslimische Kulturen - Osmanisches Erbe
Infolge der Projektionen der Orient-Okzident-Dichotomie wurden muslimische Kulturen lange Zeit als statisch und als „dem Westen“ unterlegen beschrieben. Sie hätten sich jeder Form von Innovation widersetzt, was man auf die Religion zurückführte. Unter Vermeidung dieses eurozentrischen und orientalisierenden Blickes und mit Verwendung des konstruktivistischen Ansatzes werden – bezüglich der europäischen und anatolischen Gebiete des Osmanischen Reiches und dessen Nachfolgestaaten sowie in Bezug auf muslimische Migrationsgesellschaften – gegenseitige Wahrnehmungs-, Austausch- und Visualisierungsprozesse von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart untersucht. Dadurch stehen anstelle der traditionellen philologischen Orientierung historisch-anthropologische sowie kultur- und sozialwissenschaftliche Aspekte im Vordergrund. Weitere Schwerpunkte liegen auf dem Umgang mit dem osmanischen Erbe sowie auf der Untersuchung von patriarchalen Strukturen und Geschlechterbeziehungen in muslimischen Gesellschaften in und außerhalb Kleineurasiens.
Visuelle Kultur
Im Forschungsschwerpunkt „Visuelle Kultur“ wird das Visuelle als Primärquelle in den Mittelpunkt theoretischer und methodologischer Zugänge gestellt. Kulturelle Erscheinungen werden auf ihre visuellen Repräsentationen, auf ihre Sichtbarkeit und auf die damit verbundenen Wahrnehmungen hin analysiert. Durch die Auseinandersetzung mit der Beschaffenheit, Rolle und Funktion von Bildern werden grundsätzliche Fragestellungen nach Konzepten der Ordnung und Strukturierung von Gesellschaften sowie nach der Vielfalt an Formen und Praktiken, in denen Kulturen entlang historischer, politischer, sozialer und ökonomischer Prozesse produziert, verhandelt und in Gebrauch genommen werden, gestellt. Durch die Errichtung der Bilddatenbank VASE [Visuelles Archiv des Südöstlichen Europa] sollen gesammelte visuelle Daten Forschenden, Lehrenden und Studierenden zur Verfügung gestellt werden, um eine aktive Auseinandersetzung mit dem Medium Bild zu ermöglichen.
Methodische Kompetenzen
Eine Geschichtswissenschaft, die den Menschen als individuellen, sozialen und kulturellen Akteur in den Mittelpunkt ihrer Forschung stellt, wird sich weder theoretisch noch methodisch einem einzigen Konzept verschreiben. Die Wissenschaften vom Menschen erfordern eine Vielzahl an methodischen Zugriffen (naturwissenschaftliche inbegriffen). Den Kernbereich bildet in den Grazer Forschungen ein Methodenmix, der aus den Geschichtswissenschaften und der Kulturanthropologie gespeist wird. Die Arbeit in den Archiven und Bibliotheken wird durch kommunikative Forschungsstrategien ergänzt oder umgekehrt. Konkret wenden wir u.a. die historische Vergleichsmethode sowie Methoden der Erinnerungsforschung, der kommunikativen Forschung, der historischen und anthropologischen Bildforschung und der historischen Demografie an; forschungsleitend sind auch Methoden, die Mikroperspektiven, in denen der Mensch als handelnder Akteur in den Vordergrund rückt, freizulegen imstande sind.
Feldforschung - Kommunikative Forschung
Eine wichtige Methode der Historischen Anthropologie ist die Feldforschung / kommunikative Forschung. Das Verweilen im beforschten „Feld“, die Erhebung empirischer Daten durch Beobachtung und Befragung sowie die reflexive Auseinandersetzung mit der eigenen Position vermögen Aufschlüsse über zahlreiche soziale und kulturelle Phänomene zu geben und Prozesse der Wissensgenerierung kritisch zu beleuchten. Insbesondere dort, wo es um die Ergründung von Einstellungen und Meinungen und um die Motive von Handlungen von Akteuren geht, sind Methoden der Feldforschung / kommunikativen Forschung von besonderer Relevanz. In der betriebenen Migrationsforschung kommen vermehrt auch Methoden der multi-sited ethnography zur Anwendung, die nicht nur Akteure an verschiedenen Orten ins Visier nimmt, sondern auch eine größere interdisziplinäre Vielfalt beinhaltet, wie etwa Methoden der Cultural Studies und der Media Studies.
Historische Demografie
Der Forschungsschwerpunkt Historische Familien- und Geschlechterbeziehungen erfordert auch die Anwendung quantifizierender und demografischer Methoden in der Erforschung serieller Quellen wie Volkszählungen, Steuerlisten und Kirchenbücher. Haushaltsstrukturen werden durch demografische Ereignisse (Geburten, Heiraten, Todesfälle und Wanderungen) bestimmt und wirken andererseits auf demografische Muster zurück. Die Erforschung der historischen Verhältnisse und Entwicklungen auf den Gebieten von Fertilität, Nuptialität, Mortalität, Morbidität und Migration im Gebiet des südöstlichen Europa hat deshalb hier ein Zentrum gefunden. Besonders ausgeprägt ist die Kompetenz für den Themenkomplex Heiratsmuster und Haushaltsformierung und die Frage der historischen Entwicklung von Differenz und Übereinstimmung mit west- und zentraleuropäischen Mustern.
Historische und anthropologische Bildforschung
Ikonografische und ikonologische Einzelbildanalysen schließen den Entstehungskontext des Bildes, die verschiedenen Verwendungszusammenhänge sowie die historischen und soziokulturellen Bedingungen der Rezeption mit ein. Für den synchronen Vergleich verschiedener Bildbestände oder bei der diachronen Betrachtung eines Bildgenres oder Motivs über einen größeren Zeitraum hinweg bieten sich quantitative Fotoanalysen mithilfe der seriell-ikonografischen Methode an. Das Bildliche wird nicht nur als primäre historische Quelle verwendet, sondern es kann auch als Forschungsinstrument in der interaktiven Kommunikation – etwa in Bildinterviews – eingesetzt werden.
Mikroperspektive - Agency
Die gesamtheitliche Betrachtung des südöstlichen Europa und die Objekthaftigkeit dieser Region – abgeleitet aus der durch den Eingriff von Großmächten resultierenden Fremdbestimmung – bilden grundlegende Zugänge meist westlicher Geschichtsschreibung. Der Stellenwert derartiger Ansätze wird erst offenbar, wenn er mit mikroperspektivischen Zusammenhängen und den Handlungshorizonten der einfachen Menschen kombiniert wird. Dieses Verhältnis gilt auch umgekehrt: Grenzen und Relevanz der Lebenswelten als „ethnisch“ bezeichneter (Klein-) Gruppen wie etwa der Vlachen oder Pomaken oder auch die Reichweite der agency von Wanderhirten und ihren Familien werden erst dann in all ihren Bezügen erfassbar, wenn sie auf überregionale Prozesse bezogen werden – in diesem Fall auf die Verläufe der Nations- und Nationalstaatsbildung, die Herausbildung von Staatsgrenzen, die Siedlungsgebiete und Wanderrouten durchschneiden, und die regionalen und globalen (land-) wirtschaftlichen Entwicklungen.
Vom Vergleich zur Wechselseitigkeit
In den genannten Themenfeldern werden unterschiedliche Methoden des Vergleichs herangezogen: Ausgehend vom historischen Vergleich auf einer synchronen sowie auf einer diachronen Ebene erstreckt sich dabei das geografische Feld von innereuropäischen bis hin zu außereuropäischen Regionen. Da gerade bei der Erforschung des südöstlichen Europa ein Vergleich zwischen europäischem Normdenken und den Abweichungen von dieser Norm, die vor allem dem Balkan angeheftet wird, nahezuliegen scheint, wird diese bereits in vieler Hinsicht vorformulierte Richtig-falsch-Dichotomie kritisch beleuchtet sowie dekonstruiert. Statt der Suche nach Differenz oder dezidierter Gemeinsamkeit wird die Komplexität und die wechselseitige Beeinflussung, wie etwa durch das Osmanische Reich und durch muslimische Kulturen, in den Mittelpunkt der Forschungsinteressen gerückt. Ein Vergleich wird damit in seiner Grundtendenz das kulturelle Spiegelbild des „Eigenen“.
Wissenswertes für Studierende
Lehrveranstaltungen im Fachbereich „Südosteuropäische Geschichte und Anthropologie“ können im Rahmen des allgemeinen Bachelor- und Mastersstudiums „Geschichte“ und des Doktoratsstudiums der Philosophie bzw. des Masterstudiums „Geschichte des südöstlichen Europa“ absolviert werden. Trotz der Konzentration auf den unmittelbaren Fachbereich werden zusätzlich immer wieder Lehrveranstaltungen zur Geschichte Osteuropas, v. a. des Kaukasus und des Nahen Ostens, angeboten. „Area Studies“ zu betreiben ist nicht möglich, ohne die Studiengebiete gut zu kennen. Daher werden vom Arbeitsbereich Südosteuropäische Geschichte und Anthropologie regelmäßig Exkursionen organisiert, um durch „reisendes Forschen“ Geschiche, Kulturen und Menschen des südöstlichen Europa kennen zu lernen. Gerade was die Sozialgeschichte des südöstlichen Europa anlangt, herrscht eklatanter Mangel an schriftlichen Quellen. Andererseits liegt die Geschichte vielfach „auf der Straße“. Aus diesem Grund werden im Rahmen der Lehrveranstaltungen auch Feldforschungen durchgeführt.
Bibliothek des Arbeitsbereichs Südosteuropäische Geschichte und Anthropologie
Bestellungen werden online:
suedost.bibliothek(at)uni-graz.at
und persönlich entgegengenommen:
Unsere Öffnungszeiten: Montag: 9.00-13.00 Uhr und Freitag: 9.00-11.00 Uhr
In dieser Zeit ist auch der Leseraum geöffnet! Alternativ steht Ihnen auch der Leseraum in der Fachbibliothek in der Heinrichstr. 26/4. Stock zur Verfügung (Öffnungszeiten lt. Homepage).
Über die Universitätsbibliothek ist die Fachbereichsbibliothek an den internationalen Leihverkehr angeschlossen. Die Titel sind über Unikat recherchierbar. Auf den Ausbau unserer Spezialbibliothek legen wir besonderes Augenmerk, da wir neben unserer fachspezifischen auch eine öffentliche Aufgabe zu erfüllen haben. Über Austausch, Geschenke, Erwerb von Privatbibliotheken und schließlich auch durch Ankauf verfügen wir nun über rund 50.000 Einzelwerke bzw. Zeitschriftenbestände.
Einzelwerke
Dank mehrerer Erbschaften (Bibliotheken Balduin Saria, Ludwig von Gogolák, Robert Schwanke, Erich Beck) verfügt die Fachbereichsbibliothek über Bestände zu Spätantike und Mittelalter des Balkan- und Donauraumes (ca. 25 Prozent). Die restlichen 75 Prozent verteilen sich auf das südöstliche Europa allgemein und seine Länder vorwiegend für das 19./20. Jahrhundert (ca. 70 Prozent) sowie Randgebiete (Tschechien, Slowakei, Polen, Russland, ca. 5 Prozent). Im Aufbau begriffener Zusatzschwerpunkt: Historische Anthropologie (vornehmlich des südöstlichen Europas, des Mittelmeerraumes, des Nahen Ostens und des Kaukasus). Militärkarten vorwiegend über den Donau- und Balkanraum aus der Zeit des späten 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg (ca. 120 Stück); Atlas der Donauländer (abgeschlossene Edition), Atlas Ost- und Südosteuropa (laufend).
Halpern Collection
Diese Sammlung, die von dem US-amerikanischen Kulturanthropologen Joel M. Halpern (Prof. emeritus der University of Massachusetts) dem Grazer Fachbereich zur Verfügung gestellt wurde, enthält zum Teil einzigartiges Material und umfasst den jugoslawischen Raum der letzten beiden Jahrhunderte. Sie besteht aus Quellen, die für quantifizierende Untersuchungen von Haushalts- und Familienstrukturen grundlegend sind (Zensus, Matriken, Steuerlisten, Status Animarum), sowie aus ergänzenden Quellen (Feldforschungsnotitzen, Interviewmaterialien und Autobiografien). Dieser Bestand wird abgerundet durch eine umfangreiche Sammlung an balkanfamilienhistorisch relevanten Monografien und Aufsätzen.
Siehe dazu: Projekt „Balkanfamilie“
Schwanke Nachlass
Diese aus dem Besitz des 1993 verstorbenen Wiener Albanienkenners Robert Schwanke stammende und im Fachbereich verwahrte albanologische Sammlung setzt sich aus Monographien und Aufsätzen zur Landeskunde, Geschichte, Kultur, Sprachwissenschaft und Politik zusammen. Sie besteht aus über tausend Buch- und Zeitschriftenbänden.
Beck'sche Bukowina-Sammlung
2007 ist die Bukowina - Bibliothek aus dem Bestitz von Dr. Erich Beck angekauft worden. Dr. Beck veröffentlichte in den 1960er-Jahren einige Bibliografien zur Geschichte der Bukowina.
Zur Geschichte des Lehrstuhls und den Räumlichkeiten
Die Gründung der „Lehrkanzel für Südosteuropäische Geschichte“ am Historischen Institut der Universität Graz erfolgte im Jahre 1970 in der Nachfolge der ehemaligen Lehrkanzel für Byzantinische Philologie und Geistesgeschichte. Die Lehrtätigkeit wurde im Wintersemester 1970 aufgenommen. Nach der Einführung des Universitätsorganisationsgesetzes 1975 wurde das Institut in „Institut für Geschichte“ und die ehemalige Lehrkanzel im „Fachbereich für Südosteuropäische Geschichte und Anthropologie“ umbenannt. Erster Leiter der Lehrkanzel bzw. Abteilung war Ferdinand Hauptmann, zuvor Professor für Allgemeine Neuere Geschichte an der Universität Sarajevo. Seine Emeritierung erfolgte 1986. 1988 ist ihm Horst Haselsteiner (bis dahin Assistent am Institut für Ost- und Südosteuropaforschung der Universität Wien) nachgefolgt. Nach dessen Berufung an die Universität Wien als Ordinarius in der Nachfolge von Richard Georg Plaschka (1993) hat 1996 Karl Kaser, bis dahin Vertragsassistent an der Abteilung, das Ordinariat und die Abteilungsleitung übernommen.
Unsere Räumlichkeiten
Der Fachbereich ist im Nordtrakt des sogenannten Meerscheinschlössls untergebracht. Das Barockschloss soll im 16. Jahrhundert als Residenz des päpstlichen Nuntius für Innerösterreich errichtet worden sein. Die heutige Bezeichnung „Meerscheinschlössl“ stammt von einem Cafétier aus dem beginnenden 19. Jahrhundert, als in den heutigen Arbeitsräumen getanzt, Kaffee getrunken (dieser Usus ist bis heute erhalten geblieben) und Karten gespielt wurde. Dieses Quartier lässt fälschlicherweise den Eindruck latenter Beschaulichkeit entstehen. Doch Geschichte und Ambiente täuschen: Auf etwa 500 Arbeits- und Bibliotheksquadratmetern herrscht auf drei Etagen rege Betriebsamkeit - nicht zuletzt, weil alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um den Forschungsbetrieb zu internationalisieren, zusätzlich Kommunikationen aufzubauen und zu erleichtern.